Notbremse für die Begau?

Gestern habe ich an einer Ratssitzung der Stadt Alsdorf teilgenommen. Hierin ging es auch um die Aufstellung eines Bebauungsplans für die Begau.  

Dramatisch wurde dargestellt, dass aus aktuellem Anlass dringend verhindert werden müsse, dass Investoren zwei nebeneinander liegende Grundstücke zusammenlegen, um dort ein Mehrfamilienhaus zu errichten. Abgesehen davon, dass das aus meiner Sicht schon allein nach § 34 BauGB hätte verhindert werden können, plant hier nach meiner Kenntnis eine private Bürgerin, die in der Begau aufgewachsen ist, auf jedem der beiden nebeneinander liegenden Grundstücke ein freistehendes Zweifamilienhaus, das sich den heutigen Wohnbedürfnissen und den modernen Bauentwicklungen der Siedlung in den letzten Jahren anpassen sollte.  

Der vorgelegte Erläuterungstext zum Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans Nr. 372 geht aber tatsächlich wesentlich weiter, als nur eine (politisch überzogen dargestellte) geplante Maßnahme einzuschränken und prinzipiell die Errichtung von Mehrfamilienhäusern zu unterbinden. Dieser sieht, neben einem Bestands- und Erhaltungschutz des historischen Charakters der Reichsheimstättensiedlung, lediglich Erweiterungsmöglichkeiten zur Nutzung als Ein- und Zweifamilienhaus vor, die weder aufgrund der Grundstückverhältnisse überall umsetzbar sind, noch einem zukunftsgerichteten Wohnbedarf für Familien gerecht werden.

Die Stadt hat selbst in den vergangenen Jahren in unmittelbarer Umgebung neue, moderne Maßstäbe für die Begau gesetzt. Vielleicht aus wirtschaftlichen Gründen (Verkauf des alten Sportplatzes zur Finanzierung des Kunstrasenplatzes in Warden) aber auch bei anderen Vorhaben kann der Erhalt des historischen Siedlungscharakters nicht im Vordergrund gestanden habe. 

Aufgrund dieser Entwicklung lassen sich nach eigenen Angaben der Stadt inzwischen über § 34 BauGB modernere Bauvorhaben nicht mehr ohne weiteres abwehren. Deshalb soll nun den wenigen Einzelobjekten, die noch in ursprünglichem Zustand sind, mit einem Bebauungsplan entgegengetreten werden. Bestehende Bausünden bleiben dabei erhalten und es betrifft nur die wenigen Restgrundstücke, die bisher noch keiner modernen Nutzung zugeführt wurden. Wie rechtfertigt man diese Ungleichbehandlung gegenüber den Alteigentümern im Vergleich derer, die bereits teils fragwürdige bauliche Veränderungen vorgenommen haben und derer, deren Grundstück zufällig außerhalb des Plangebiets liegt (z.B. auf der Ehrenstraße und nordöstlich davon) aber ansonsten bei einem nahezu gleichen Bauwerk im Zweifel eine bessere bauliche Ausnutzung beanspruchen dürfen. Wenn dort mit § 34 BauGB argumentiert werden sollte, könnte dies ebenfalls für den Rest der Begau gelten. Viel zu heterogen ist inzwischen die Struktur. Hier hätte die Stadt schon einige Jahre früher eingreifen sollen. 

Der erste Blick auf das Plangebiet wirft bereits die Frage auf, weshalb die Ehrenstraße und der nordöstliche Bereich aus dem Plangebiet ausgenommen wurden und andere bereits stark veränderte Bereiche enthalten sind.

(Straßenzug außerhalb des vorgesehenen Plangebiets)
(Straßenzug innerhalb des vorgesehenen Plangebiets, also erhaltungswürdiger Siedlungscharakter einer Reichsheimstätte?)

Auch diese innerhalb des geplanten Bebauungsplans bereits vorhandenen Abweichungen sollten bei den Festsetzungen des Bebauungsplans berücksichtigt werden, bei denen der Erhalt des Siedlungscharakters wohl offensichtlich auch nicht immer im Vordergrund stand.

Weiterhin sollte man noch einmal die Argumente aus der Begründung des Bebauungsplans des alten Sportplatzgeländes heranziehen und mit den aktuellen Erläuterungen vergleichen.

Die aktuellen Regelungen aus den Erläuterungen zur Beschlussvorlage (siehe weiter unten) gehen immer nur von Erweiterungen und Modernisierungen der vorhandenen Bebauung aus. Es wird nicht erwähnt, wie in Fällen von Substanzschäden oder Unwirtschaftlichkeit ein Neubau ausgeführt werden kann. Bei den wenigen noch ursprünglichen Häuschen, dürfte sich diese Fragestellung durchaus ergeben.

Die weitreichenden Entscheidungen beeinflussen unter Umständen nicht nur die zeitgemäße bauliche Nutzbarkeit sondern auch die Attraktivität für jüngere Generationen. Diese ggf. auch wirtschaftlichen Auswirkungen sollte die aktuell eher ältere Entscheider-Generation bei den Abwägungen nicht unberücksichtigt lassen.

Die Erläuterungen zu diesem Tagesordnungspunkt wurden erst wenige Tage vor der Ratssitzung nachgereicht. Den berechtigten Einwand der CDU, deshalb über diesen voreiligen Beschlussantrag erst in der nächsten Sitzung zu entscheiden, ließen die übrigen Teilnehmer aber bei Ihrer Abstimmung unberücksichtigt, so dass nun der Beschluss mehrheitlich gefasst wurde und ab sofort alle Bauanträge bis zum Abschluss dieses Verfahrens zurückgestellt werden können.

Es sollte jedenfalls weiterhin hinterfragt werden, ob auch für die in der Argumentation genannten Siedlungen Zopp und Broicher Siedlung vergleichbare Bebauungspläne vorgesehen sind. Wenn nicht, warum nur für die Begau? 

Da ich mich in meiner Diplomarbeit damals mit dem Thema Stadtentwicklung und Bebauungspläne (und deren Ausgleichsflächen) intensiv beschäftigt habe, interessiert mich diese Entwicklung nicht nur aufgrund der nachbarschaftlichen Nähe. Auf den weiteren Verlauf, die Reaktionen der betroffenen Bürger und die weiteren Abwägungen bin ich jedenfalls gespannt.  

Aus der Erläuterung zur Beschlussvorlage 2020/0145/A61 der Stadt Alsdorf  (Hervorhebungen vom Autor):

„… In den zurückliegenden Jahren ergaben sich aufgrund wechselnder Eigentumsverhältnisse und subjektiver Nutzungsansprüche, bereits heterogene Erweiterungsabsichten, die nicht dem historischen Siedlungscharakter entsprechen. Seitens einiger Eigentümer gab es einerseits Bestrebungen für den Mehrfamilienwohnungsbau, der sich hinsichtlich Dimensionen und Dichte nicht in die historisch geprägte Einfamilienhaussiedlung einfügt. Andererseits erfolgten Modernisierungen und Erweiterungen einzelner Objekte, die bei weiterem Fortschreiten den Verlust der o.g. Typologie und eine gestalterische Abwertung des Siedlungsbildes befürchten lassen. In diesem Zusammenhang stellt sich die planungsrechtliche Beurteilung gemäß § 34 BauGB bzw. eine zielführende städtebauliche Steuerung im Bestand zunehmend schwierig dar. 

Folglich sollen mit dem hiesigen Bebauungsplan die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, eine zeitgemäße Nachverdichtung durch geordnete überbaubare Flächen i.V.m. einer Steuerung des ergänzenden Bauvolumens zu ermöglichen. 

Der Grundgedanke ist dabei zum einen die Sicherung und Ablesbarkeit der straßenseitigen Bebauung (Haupthaus) in seiner prägenden Kubatur giebelständig (Ausrichtung, Dachform) mit seitlichem Bauwich, um das typische Erscheinungsbild der Reichsheimstättensiedlung als historische Qualität bzw. Identität zu erhalten. Andererseits sollen mit Bezug auf das Haupthaus zurücktretende seitliche bzw. sich höhenmäßig anpassende rückwärtige Erweiterungen in den tiefen Gartenbereichen ermöglicht werden, die somit das Straßenbild nicht negativ beeinflussen. 

Innerhalb der dafür auszuweisenden Bauflächen können so situationsangepasste Erweiterungen der Wohnfläche ermöglicht werden, die hinter der Kubatur des Haupthauses zurücktreten und gleichzeitig als moderne ablesbare Erweiterungsensembles aktuellen Wohnbedürfnissen Rechnung tragen können. Die Zahl der Wohneinheiten soll sich dabei auf zwei beschränken, um den Einfamilienhauscharakter zu wahren und auch den verkehrlichen Belangen adäquat Rechnung zu tragen. 

Von weiteren restriktiven Festsetzungen bzw. detaillierten Gestaltungsregelungen (bspw. Farben, Materialität o.ä. für einzelne Bauteile zur architektonischen Steuerung) wird hier explizit abgesehen, somit können auch künftig im Rahmen von Modernisierungen flexible Wärmedämmmaßnahmen, unterschiedliche Baustoffe und Materialien u.ä. eingesetzt werden können, um eine unverhältnismäßige Einschränkung individueller Bauwünsche zu vermeiden…“ 

(Erläuterung zur Beschlussvorlage 2020/0145/A61 der Stadt Alsdorf)
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